Gedichte und Geschichten von Gertrud Tintes

 

 

TintesGertrud Tintes
1899 - 1992

„Aus dem Leben berichtet und in Versen gedichtet“ 
Text zur Einladung einer Lesung mit Gedichten von Gertrud Tintes
im Bürgerhaus Mürlenbach 2004

In Mürlenbach erinnert man sich gerne an Frau Gertrud Tintes, die im Alter von fast 80 Jahren begann, Gedichte zu schreiben. Bei den Veranstaltungen der örtlichen Vereine hatte sie viele Jahre die Gelegenheit, ihre Texte vorzutragen. Die Begeisterung der Zuhörer war auch ein Ansporn, neue Geschichten zu schreiben. Mit über 90 Jahren war sie immer noch mit dabei.

Sehr einfühlsam beschreibt Frau Tintes die Natur und bittet gleichzeitig alle, sich für deren Erhalt einzusetzen. Sie versteht es, in humorvoller Weise Erlebtes aus dem Dorfgeschehen in Geschichten zu erzählen und schließt ab und zu eine gut gemeinte Ermahnung mit ein. Manchmal bittet sie die junge Generation, Verständnis für die alten Menschen zu haben, die ja durch ihr hartes Leben in früherer Zeit geprägt sind.

Der Eifelverein von Mürlenbach hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Texte von Frau Tintes zu sammeln und zu veröffentlichen. Das Ziel dabei ist, die Sprache - das „Platt“ - zu erhalten und die Erinnerungen an eine Zeit, die vielen fremd geworden ist, weiter zu geben.

Am Sonntag, dem 7. März 2004 -15.00 Uhr- werden im Bürgerhaus in Mürlenbach bei einem Lesenachmittag Gedichte und Geschichten vorgetragen. Das Motto dieses Nachmittags heißt: „Aus dem Leben berichtet und in Versen gedichtet“.

Interessierte sind herzlich eingeladen.

 

∗ ∗ ∗

 

"Ech kennt jo jet von mir es schreiwen, doch hät ech Spaaß dodroan ..."

 

 De schien Eefel

 Wenn im Merz de Blomen scheßen,
 alles rundherum erwacht,
 wenn die Viejelcher remm sangen,
 on am Mai de Sunn schien lacht;

 am Summer, wenn de Ruse bleden
 un et Koarsteck reift wie Jold,
 wenn et Hai treit op den Wiesen,
 och daan, wenn’t Gewitter grollt;

 wenn am Herst de Äpel reifen,
 wenn durch’t Dal de Newel schlecht,
 wenn zur Joaschd de Hörner bloasen
 un sech joldesch färwt de Besch;

 och am Wanter, wenn all Fichten
 morjens sehn wie Chrestbeem aus,
 wenn et stiermt un schneit un frert,
 un de Amsel kemmt bei’t Haus;.

 jo, zu allen Joahreszeijten,
 Eefel, wie bas dau su schien.
 Jo, me moß de Ojen opdon,
 um deng Herrlichkeit ze sehn.

 Um ding Schienhet zu erhalen
 wolle mer es all bemeehn..
 Lot es beden, dat deng Quellen
 bleiwen klor, de Bescher green.

 

∗ ∗ ∗

 Mein Leben ohne Beruf

 „Ohne Beruf“ - so steht es im Paß.
 Das ist gewiß doch nur ein Spaß.
 Ist es auch amtlich, so ist doch klar,
 was amtlich ist, ist nicht alles wahr.

 Denn in meinem langen Leben
 hat’s viele Berufe für mich gegeben.
 Als Älteste von acht Geschwistern
 da lernte ich früh, ich kanns euch flüstern.

 Als Babysitter fing ich an:
 „Geh’ stoß doch mal die Wiege an“
 Und waren sie dann noch nicht still, unsre Jungen,
 hab ich als Sänger „Heia, heia“ gesungen.

 Ich spielte schon früh den Essensträger,
 Kartoffelschäler und Straßenfeger.
 Mit der Petroliumskann in der Hand
 bin ich dann als Einkäufer gerannt.

 Und als Mädchen für Alles musste ich laufen
 für Nachbars Paat den Tabak kaufen.
 Melken musste ich schon mit elfen
 und überall im Hause helfen.

 Hab versalzen die Suppe, verbrannt die Soß,
 als Köchin war ich noch gar nicht groß.
 Gern spielte ich die Gärtnerin,
 auf Blumen stand schon stets mein Sinn.

 Mal war ich Dienstmagd, mal Strickerin,
 mal Näherin, mal Flickerin.
 Mal war ich Bäcker, mal Konditter
 und dann auch schon mal Anstreicherpitter.

 Hab am Bottich gewaschen,
 mit der Sense gemäht,
 am Webstuhl geklappert,
 am Spinnrad gedreht.

 Habe Brennholz gehackt und Holz gesägt,
 wenn’s nötig war einen Kranken gepflegt.
 Dann wieder musst ich hüten das Vieh,
 nur in Lohnklasse sieben, da war ich nie.

 Nun ist es genug, ihr lieben Leut!
 Hier alles zu nennen, das ginge zu weit.
 Ihr könnt es sehen und mir ist ganz klar:
 Was amtlich ist, ist nicht alles wahr.

 

∗ ∗ ∗

 Versöhnung

 Zwei Nobern, Jäb und Hannes,
 die hatten lauter Krach.
 Mol wor et wejen den Hohnern,
 mol wejen der Wiß an der Bach.

 Och de Frauen hon sech gekebbelt,
 hon de Hunn oweneen gehetzt.
 De Nobarschaft konnt nemmen lachen
 un hot dack de Ouhren gespetzt.

 Op emol sollt Jäb sterwen.
 „Brengt erscht den Hannes es her!
 Su kannst dau den Himmel net erwen,
 do sorscht ald de Pitrus dofier“.

 Se jungen den Hannes holen.
 He kom un jof Jäb de Hand:
 „Da loßen mer alles vergäßen!“
 hot hän singen Frend genannt.

 „Weil kanns de ruhig sterwen,
 kuck es“, sot Annemarei,
 „well hoß de dingen Frieden,
 un alles as an der Reih“.

 „O neen, nau macht es langsam“,
 Jäb riecht sech op am Beth.
 „Wenn ech dat hei noch es packen,
 dann jelt den Handel net“.

 „Dann baß dou für mech rem de Lappes.
 Betritts me net me de Schwell!
 Der Deiwel soll dech holen
 un dech schlefen on de Häll“.

 

 

Aus "Gedichte und Geschichten von Gertrud Tintes"
Herausgeber: Eifelverein Ortsgruppe Mürlenbach
Bearbeitung: Mathilde Reichertz, Mürlenbach 2004
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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